Mieten und Mythen: 8 Thesen zum Schweizer Wohnungsmarkt auf dem Prüfstand

Im SPGITALK vom 16. April 2024 fasste Referent Dr. Marco Salvi ein heisses Eisen an: den Schweizer Mietwohnungsmarkt. Haben wir wirklich eine Wohnungsnot? Und sind noch mehr Eingriffe in den Wohnungsmarkt die Lösung?

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«Die Leerwohnungsziffer schwankt über die Jahrzehnte und steht heute schweizweit bei etwa 1%. Das ist deutlich höher als anfangs der 1970er-Jahre oder in den 1980er Jahren»: In den Medien dominiert jedoch das Narrativ, in der Schweiz gäbe es eine landesweite Wohnungsnot. Am SPGITALK widerlegte Dr. Marco Salvi von Avenir Suisse diesen Mythos, zumindest für Wohnraum ausserhalb von Städten wie Zürich oder Genf. Doch könnte sich die Situation aufgrund der – im Vergleich zur Nachfrage – schwachen Bautätigkeit künftig verschärfen. «Die Wohnungsknappheit könnte sich zuspitzen, weil zu wenige Projekte in der Pipeline sind.» Ein möglicher Grund dafür: Die durchschnittliche Dauer von Baubewilligungen ist seit 2010 stark gestiegen. Gemäss Zahlen der ZKB beträgt sie in Genf nun fast 500 Tage – das ist Schweizer Rekord. Das Angebot hält mit der steigenden Nachfrage nicht mit.

In seinem Referat nahm Dr. Marco Salvi insgesamt acht häufig gehörte Aussagen unter die Lupe:

1. Wir haben eine Wohnungsnot
2. Wir haben doch so viel gebaut
3. Die Zuwanderung ist an allem schuld
4. Es gibt kaum bezahlbare Wohnungen
5. Private bauen keine preisgünstigen Wohnungen
6. Genossenschaften sind selbsttragend
7. Der gemeinnützige Wohnungsbau ist nachhaltiger
8. Verdichtung findet nicht statt

Sind Mietrechtsinnovationen die Lösung? «Das Schweizer Mietrecht funktioniert noch gut. Ich warne vor einer stärkeren Regulierung», sagte Dr. Marco Salvi. «Mehr Regulierung wird die Investitionen verteuern, die Bautätigkeit senken – mit höheren Mieten für alle.» Man sehe zum Beispiel in Genf und Basel, aber auch ausserhalb der Schweiz wie in Stockholm, dass der gewünschte Effekt – nämlich mehr bezahlbaren Wohnraum – für die Mehrheit der Bevölkerung ausbleibt.

Dr. Marco Salvi ist Senior Fellow bei Avenir Suisse, wo er die Dossiers Wohn- und Raumpolitik sowie Arbeitsmarkt betreut. Er studierte Volkswirtschaft und Ökonometrie an der Universität Zürich und promovierte an der EPFL.

SPGITALK
Der SPGITALK ist eine Veranstaltungsreihe der SPGI Zurich AG mit dem Ziel, den Know-how-Transfer in der Immobilienbranche sowie das Networking zu fördern. Die Teilnahme ist kostenlos. Weitere Informationen

SPGITALK vom 16. April 2024