«Den einen Büroarbeitsplatz gibt es nicht»

Gesellschaft und Umwelt wandeln sich – und damit das menschliche Verhalten. Wie das die Immobilienwirtschaft beeinflusst, erklärte Referent Andrew Phipps am SPGITalk vom 7. November 2019.

«Das menschliche Verhalten lässt sich als Reaktion von Einzelnen wie auch von Gruppen auf innere und äussere Einflüsse beschreiben», erklärte Referent Andrew Phipps zu Beginn seines Referates. Das menschliche Verhalten liesse sich also durch Stimuli beeinflussen. «Wir unterscheiden dabei in positive und negative Einflüsse: Erste sind Freude, Hoffnung und soziale Akzeptanz, negativ beeinflussen uns hingegen Schmerz, Angst und soziale Ausgrenzung.»

Wie Menschen ihre Gewohnheiten durch bauliche Massnahmen ändern, zeigte Andrew Phipps anhand verschiedener Beispiele. Als erstes nannte er die Pianostairs in Schweden: Diese Treppe zur U-Bahn in Stockholm schaut nicht nur aus wie eine Klaviertastatur, ihre einzelnen Stufen produzieren beim Betreten auch Töne. Der Effekt: «Überdurchschnittlich viele Menschen benutzen diese Treppe und nicht die daneben verlaufende Fahrtreppe.» Einen ähnlichen Effekt haben die Athlete Stairs in Hamburg, die das Design einer Tartanbahn für Leichtathleten hat. Auch da gehen deutlich mehr Menschen zu Fuss, weil die Treppe dazu animiert.

Hochwertige Arbeitsplätze lohnen sich

Laut Andrew Phipps wird es für die Immobilienwirtschaft immer wichtiger, die psychologischen Komponenten menschlicher Verhaltensweisen zu verstehen. Nur so liessen sich künftig Büro- und Gewerbeflächen marktgerecht positionieren. Denn die Ansprüche der Angestellten an die Arbeitsplätze steigen, und darauf müssen Unternehmen reagieren.

Anhand eindrücklicher Zahlen zeigte der Referent auf, wie sehr der Mensch bei der Wahl einer Immobilie ins Zentrum rückt. Denn die Gesamtkosten an einem Geschäftssitz teilen sich für ein durchschnittliches Unternehmen wie folgt auf: Ein Prozent Energiekosten, neun Prozent Miete und 90 Prozent Personalkosten. «Die Mitarbeitenden sind also das teuerste und gleichzeitig wertvollste Gut», fasste Andrew Phipps zusammen. Arbeitsplätze müssten daher so gestaltet sein, dass sie hohe Ansprüche an den Gesundheitsschutz erfüllen und dass die Mitarbeitenden gerne zur Arbeit kommen. «Hohe Fluktuation kostet einen Betrieb viel mehr als hochwertige Arbeitsplätze.»

Viel Fläche ungenutzt

Unser Verhalten bestimmt auch finanzielle Entscheidungen. Allgemein reagiere der Mensch sensibler auf Verluste als auf Gewinne, so Referent Andrew Phipps. «Wir fokussieren daher mehr auf Bewahren und Sicherheit wie aufs Dazugewinnen.» Weitere treibende Faktoren, die das menschliche Verhalten beeinflussen, seien unter anderem Gruppendenken oder der Fokus auf Aktuelles, durch den neue Informationen überbewertet werden können.

Doch wie beeinflusst das die Qualität eines Arbeitsplatzes? Zuerst stellt Andrew Phipps klar: «Den einen Büroarbeitsplatz gibt es nicht». Im Gegenteil, das Zeitalter klassischer Büroarbeitsplätze neige sich seinem Ende zu. Dies untermauerte er mit Resultaten aus aktuellen Umfragen zu Arbeitsplätzen. So wird heute während eines typischen Arbeitstages nur gerade 43 Prozent der Fläche genutzt, und 47 Prozent der Befragten finden, dass ihr Arbeitsplatz nicht die optimale Produktivität ermöglicht.

Unterschiedliche Arbeitsplatztypen

Zukunftsfähige Arbeitsplätze sind individuell auf das Unternehmen und die Mitarbeitenden zugeschnitten – Patentrezepte gibt es keine. «Das verlangt von den Immobilienbesitzern und -bewirtschaftern, dass sie ihre Kunden und deren Bedürfnisse genau kennen.»

Andrew Phipps zeigte anhand von Beispielen wie Büros, Läden und einem Lagerhaus, wie solche Arbeitsplätze aussehen. So sehr sich deren Konzepte auch unterscheiden, in einem sind sie alle gleich: Sie bieten eine angenehme Atmosphäre und sind stilvoll eingerichtet. Wichtig seien zudem unterschiedliche Arbeitsplatztypen, die von ruhigen Nischen bis hin zu offenen Kommunikations-Lounges reichen. So liesse sich je nach zu verrichtender Arbeit der optimale Arbeitsplatz wählen. «Zentral dabei ist immer, dass sich die Mitarbeitenden dort wohl fühlen – das steigert erwiesenermassen die Produktivität.»

 

Andrew Phipps
Andrew Phipps leitet den Bereich «Research und Insight EMEA» bei Cushman & Wakefield. Der Fokus seiner Arbeit liegt auf Immobilien-Forschung, die sich nicht nur Zahlen und Daten, sondern auch dem menschlichen Verhalten widmet. Andrew Phipps begann seine berufliche Laufbahn als Unternehmensberater. Bei GfK war er später als «Head of Retail» für Grossbritannien und dann als «Global Director for Digital» tätig. Danach arbeitete Andrew Phipps als «Head of Research and Consulting» im Einzelhandel bei CBRE und leitete später eine Research & Insight-Abteilung. Bei Cushman & Wakefield ist er seit Mai 2019.

SPGITalk
Der SPGITALK ist eine Veranstaltungsreihe der SPGI Zurich AG mit dem Ziel, den Know-how-Transfer in der Immobilienbranche sowie das Networking zu fördern. Die Teilnahme ist kostenlos. Das Referat zum Thema «Human Behaviour in Real Estate» fand am 7. November 2019 im «Au Premier» im Hauptbahnhof Zürich statt.